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Channel: liquid feedback – Lars Reineke
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Im Dienste der Wissenschaft

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Viele Leute haben mich in letzter Zeit gefragt: “Sag mal, Lars, was macht eigentlich so ein LiquidFeedback-Beauftragter?”

Das stimmt zwar nicht, wäre aber ein guter Einstieg gewesen, weil ich dann darauf hätte antworten können: “Vor allem erklärt er den Leuten, wie Liquid Feedback funktioniert.”

Denn genau das habe ich in letzter Zeit gemacht. Zweimal habe ich das bisher vor einem Publikum getan, das fast ausschließlich aus Mitgliedern der Piratenpartei bestand, was mir bereits großen Spaß gemacht hat.

In den vergangenen anderthalb Wochen hatte ich jedoch nun zweimal die Gelegenheit, diese Software einer Zuhörerschaft vorzustellen, die zum einen nicht unbedingt aus Piratensympathisanten besteht und zum anderen praktisch keine Vorstellung hatte, wie Liquid Feedback funktioniert. Das Ergebnis war beide Male außerordentlich motivierend.

Am Mittwoch vor einer Woche war ich Dank der Vermittlung von @Kine_H an der Hochschule Osnabrück, an der sich die Studierenden im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Rahmen einer Blockwoche mit dem Thema “Direkte Demokratie” befassten. Sie hatten sich am Vormittag mit der Piratenpartei selbst beschäftigt, und so stand ich dann ab 14:00 Uhr der etwa 20-köpfigen Gruppe, die zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestand, sozusagen als Anschauungsexemplar zur Verfügung.

Eigentlich war ich nicht darauf aus, dort in exzessivem Maße Parteiwerbung zu betreiben, daher habe ich zunächst meinen Vortrag gehalten, zwischendurch einige Fragen beantwortet und im Anschluss mit Hilfe meiner Virtualbox die etwa zwanzigjährigen Teilnehmer auf meine Liquid Feedback-Testinstanz losgelassen. Sie sollten beliebige Initiativen erstellen, die sie dann gegenseitig unterstützen, mit Anregungen und Gegeninitiativen versehen sollten, und die dann zum Schluss abgestimmt werden sollten.

Als Hauptdarsteller vorne auf der Bühne lässt sich sowas ja immer schwer beurteilen, aber ich hatte schon aufgrund der Fragen, die gestellt wurden, aber auch wegen der regen Teilnahme beim Planspiel durchgängig das Gefühl: Da sind einige gerade ziemlich fasziniert von dem, was wir in unserer Partei so treiben.

Gastgeschenk

Auch den Initiativen, die von banalen Dingen wie “besseres Mensaessen” bis hin zu ganz konkreten Wünschen an die Hochschule reichten, war irgendwie anzumerken, dass manch einer der Anwesenden im Hinterkopf hatte: “Solche Partizipationsmöglichkeiten hätte ich hier auch gern.”

Auch das anschließende Gespräch mit Professor Heußner war noch sehr interessant, und da ich offenbar – trotz kleinerer technischer Probleme – bei meinem Debut als Gastdozent an einer Hochschule nicht komplett verkackt habe, bekam ich noch (s)ein Buch zum Thema “Direkte Demokratie” geschenkt, was mich ungemein gefreut hat.

Und Werbung für die Piraten musste ich im Nachhinein betrachtet auch gar nicht unbedingt machen, das hat Liquid Feedback für mich erledigt.

Gestern war ich wiederum mit unserem Spitzenkandidaten in Niedersachsen, Meinhart Ramaswamy, Ingo (@sinegravitate) und David (@david_web1) an der Universität Göttingen eingeladen, um dort Prof. Dr. Reese-Schäfer, einigen Doktoranden und weiteren Politikwissenschaftlern unser LiquidFeedback-System vorzustellen.

Dort war zwar alles etwas förmlicher – es wurde gesiezt – und vor allem waren die Teilnehmer wesentlich kritischer (aber auch informierter) als noch in Osnabrück, aber ich glaube, wir haben auch da einen ziemlich guten Eindruck hinterlassen. Nachdem ich meinen Vortrag im Dieter-Thomas-Heck-Style absolviert hatte, zeigte Ingo anhand eines anonymisierten Auszuges der Bundesinstanz, wie das System im wirklichen Leben aussieht, und wir beantworteten alle zusammen die zum Teil sehr anspruchsvollen Fragen, die uns von den Teilnehmern gestellt wurden.

Da ich leider noch über 1,5 Stunden Rückfahrt zu absolvieren hatte und heute wieder früh raus musste, hatte ich nicht mehr die Gelegenheit, noch sehr viel länger zu bleiben, aber bereits die Gespräche, die ich direkt im Anschluss an die Veranstaltung mit verschiedenen Teilnehmern führte, machten mir deutlich, dass wir mit dem System “Liquid Democracy”, dem Prinzip der Mischung aus Basisdemokratie und der Arbeitsteilung durch Delegation, an etwas ziemlich Großem dran sind.

Vieles von dem, was wir da mit Liquid Feedback machen, ist auch für die Fachleute zum Teil so neu, dass es dazu noch gar keine wissenschaftlichen Forschungen gibt. Umso faszinierender ist es für mich, an diesem Prozess teilzuhaben, und ich war nach beiden Veranstaltungen jedesmal geneigt, zu sagen: “Ohne Liquid Feedback sind die Piraten eine Partei wie jede andere.”

Dass ich als jemand, der damals vor allem aus finanziellen Gründen nicht studiert hat, dadurch die persönliche Gelegenheit hatte, in nur 7 Tagen zweimal als Gastdozent vor einem wissenschaftlichen Publikum zu referieren, freut mich natürlich ganz besonders, und ich müsste lügen, wenn ich bestreiten würde, dass ich darauf nicht auch ein kleines Bisschen stolz bin.


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